Hans Herbert von Arnim, Verfassungs- und Verwaltungsrechtler und trotzdem noch bei Verstande (was hierzulande mittlerweile die Ausnahme ist), berichtet im Spiegel, wie weit die Selbstbedienungsmentalität “unserer” Abgeordneten inzwischen gediehen ist. Um es kurz zu machen: von Anstand und Moral kann beim Thema Diäten keine Rede sein. Zugegeben, das ist nichts Neues. Die Unverfrorenheit, mit der sich gewählte Mandatsträger aber inzwischen die Taschen voll machen und gleichzeitig Berufsradfahrern moralische Lektionen erteilen wollen, ist eine einzige Groteske.
Ich entsinne mich noch gut eines Auftritts des Abgeordneten Gerhard (FDP), der – laut Selbstzeugnis – Neid nicht leiden kann, in „Christiansen“ vor einigen Jahren. Da mokierte sich der damalige Fraktionschef der Liberalen über seine – aus seiner Sicht – zu niedrigen Abgeordnetenbezüge. Er wolle – das habe ich noch gut im Ohr – „bezahlt werden wie ein Manager.“ Dann sei er nämlich so etwas wie ein „freier Mitarbeiter der Bundesrepublik Deutschland“ und generöserweise auch dazu bereit, seine üppige Altersversorgung, für die er, wie alle Abgeordneten, nie auch nur einen Cent bezahlt hat, künftig selber zu übernehmen. Der Mann erntete Applaus.
Nun muss man sich vergegenwärtigen, wie hoch die Bezüge des Abgeordneten Gerhard zum damaligen Zeitpunkt waren: über 200.000 Euro brutto pro Jahr. Und zwar ausschließlich in Form von Diäten für sein Bundestagsmandat in Verbindung mit dem Fraktionsvorsitz (der wird nämlich, auf Fraktionsgröße aufgeschlüsselt, noch einmal extra honoriert). Also ohne etwaige Nebeneinkünfte (Gerhard sitzt in den Beiräten der „Alten Leipziger Lebensversicherung aG“ und der „Halleschen Nationalen Krankenversicherung aG“ und hält im Schnitt zehn separat honorierte Vorträge bei diversen Institutionen pro Jahr). Von diesem Betrag waren und sind bekanntermaßen rund € 40.000,- pauschal steuerfrei gestellt, außerdem kommt der Abgeordnete Gerhard in den Genuß der Beihilfenregelung, die 70 % der Beiträge für die private Krankenversicherung übernimmt. Von seinen Pensionsansprüchen, die er in dreißigjähriger Berufspolitikerzeit angehäuft hat, wollen wir gar nicht erst anfangen. Ich will damit sagen: der Mann ist finanziell gut gestellt. Vorsichtig formuliert. Trotzdem hält er sich unterbezahlt.
Gerhards Beispiel im Hinterkopf kann es nun nicht groß verwundern, wenn die berufspolitische Kaste darin fortfährt, die ihr genehme Rechtslage herbeizuvotieren. Und die besteht – laut Armin – zunächst einmal in einem glatten Rechtsbruch: so weigert sich Bundestagspräsident Lammert seit über einem Jahr beharrlich, die Nebeneinkünfte der Abgeordneten zu veröffentlichen; wozu er laut Abgeordnetengesetz (§ 44a Abs. 4 Satz 2 AbgG) verpflichtet ist. Da das Gesetz aber zur Überprüfung beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist, beruft sich Lammert irrig auf die Aussetzung des Gesetzesvollzugs. Was jedoch nur zuträfe, wenn das Verfassungsgericht eine diesbezügliche einstweilige Anordnung erlassen hätte.
Noch doller ist freilich, dass im Hintergrund bereits an einer Regelung gearbeitet werden soll, nach der unzulässige Spenden nicht mehr unverzüglich dem Bundestagspräsidenten gemeldet werden müssen (§ 25 Abs. 3 Satz 2 PartG), sondern erst dann, wenn sie ruchbar werden.
Armin faßt den Befund mit den Worten zusammen: die politische Klasse steht über dem Gesetz. Es ist also, würde ich beipflichten, alles beim alten. Nur der Optimismus Armins, der sich von der Öffentlichkeit wirksame Kontrolle verspricht, wirkt auf mich irgendwie blauäugig.
Nachtrag:
Wie kommt Herr Gerhard eigentlich darauf, sich wie selbstverständlich mit einem Manager zu vergleichen? Sicherlich mag es Bereiche seines Tätigkeitsfeldes geben, die denen eines Managers ähneln. Aber es gibt auch himmelweite Unterschiede! So “arbeitet” Herr Gerhard nicht gewinnorientiert und haftet auch nicht persönlich für Fehlentscheidungen oder schlechte Gesetze, an deren Zustandekommen er beteiligt war. Seine Tätigkeit ist vielmehr (oder sollte es zumindest sein) gemeinwohlorientiert. Etwa so wie die eines Straßenkehrers (soweit dessen Tätigkeit noch nicht von der jeweiligen Kommunalbehörde privatisiert wurde). Warum vergleicht sich Gerhard nicht mit den Einkommensverhältnissen eines Straßenkehrers? Ein solcher wäre mindestens ebenso gerechtfertigt wie der mit einem Manager.
die Gesellschaften lauten richtig: Alte Leipziger und Hallesche.
@ Thomas Hellinger
Schönen Dank für den Hinweis. Ich bezog mich auf die Informationen, die der Bundestag diesbezüglich zur Verfügung stellt. Dort werden die Unternehmen so genannt, wie ich sie zitiert habe. Übrigens sitzt der Abgeordnete Gerhard auch noch im Aufsichtsrat eines dritten Unternehmens (Stufe 3, jährlich), wobei offen bleibt, ob er die beiden anderen (Neben-)Tätigkeiten vergütet bekommt oder ehrenamtlich wahrnimmt.
Drei “ständige” Nebentätigkeiten also. Damit ist Gerhard zwar noch nicht auf dem Niveau seines Kollegen Merz (der kommt auf zwölf, wenn ich richtig gezählt habe), aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Herr Rietser lässt sich von den Volksbanken fürstlich entlohnen um publikumswirksam den Sinn oder Unsinn eines Riester Fonds unter die Volksbank Kunden zu bringen.
Herr Raffelhüschen ist im ERGO Konzern vertreten und lässt es sich entsprechend entlohnen immer wieder öffentlich auf die Probleme der Rentenversicherung hinzuweisen und Vorsorgeprodukte zu empfehlen.
Alte Leipziger und Hallesche sind Eigennamen. Leider scheinen davon viele Menschen noch nichts gehört zu haben (vom Begriff Eigennamen meine ich). Nichteinmal Konzern intern. Ich bin der Herr Soundso von der Halleschen oder der Alten Leipziger. Auch sogenannte Wirtschaftsjournalisten veröffentlichen diesen Nonsens. “Der Vorstand der Halleschen” und so weiter …